Kunst & Kultur

Dreißig Jahre LiBeraturpreis: „Wir stehen erst am Anfang einer wahren Weltliteratur“

Preisträgerinnen aus aller Welt sind zum dreißigsten Jubiläum des „LiBeraturpreises“ nach Frankfurt gekommen. Der 1987 von evangelischen Frauen gegründete Preis macht Schriftstellerinnen aus Afrika, Asien oder Lateinamerika dem deutschen Publikum bekannter.

Podiumsdiskussion zum 30. Jubilum des LiBeraturpreises im Literaturhaus.  |  Foto: Ilona Surrey
Podiumsdiskussion zum 30. Jubilum des LiBeraturpreises im Literaturhaus. | Foto: Ilona Surrey

Das Diktum der nigerianischen Autorin Chimamanda Ngozie Adichie „We should all be feminists“ war titelgebend für das Abschlusspodium der Litprom-Literaturtage 2018: „We should all be feminists“ steht jetzt auch auf einem T-shirt von Dior. Gefragt, was sie von dieser Vereinnahmung durch ein Modelabel halte, antwortete die argentinische Autorin Claudia Pineiro auf dem Podium, es gehe für viele Frauen in ihrem Land um wirklich existenzielle Probleme. Sie demonstrierten dafür, nicht von Männern getötet zu werden, was viel zu häufig geschehe. Die iranische Autorin Fariba Vafi erklärte, sie wolle nicht als Feministin bezeichnet werden, weil sie sich durch das Label eingeschränkt fühle. Sie kämpfe aber jeden Tag um Respekt für Frauen.

Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Frauen aus aller Welt zu zeigen, sei die Aufgabe des LiBeraturpreises, erklärte Litprom-Geschäftsführerin Anita Djafari. Es gehe darum, einander wahrzunehmen und voneinander zu lernen. „Seit den 70er Jahren haben wir aber auch gelernt, dass Literatur Kunst ist, die man nicht in den Dienst irgendeiner Politik stellen kann“, sagte Djafari.

Von dieser Qualität konnte sich das Publikum bei den Literaturtagen überzeugen. Unter dem Motto „Kartographien des Weiblichen“ lasen die Autorinnen aus ihren Werken und sprachen mit dem Publikum über ihr Leben und Schreiben. Eindrucksvoll erzählte etwa die senegalesische Autorin Ken Bogul von einem afrikanischen Heiligen, der sie nach ihrer Rückkehr aus Europa in ihr afrikanisches Dorf von ihrer Verwirrung geheilt habe. Die Inderin Meena Kandasamy wehrte sich mit ihren Gedichten lautstark gegen Klischees und Stereotypen.

Der LiBeraturpreis ist 1987 als Publikumspreis von der evangelischen Pfarrersfrau Ingeborg Kaestner gegründet und dann 25 Jahre lang jedes Jahr im Ökumenischen Zentrum Christuskirche im Westend verliehen worden. Er wird ausschließlich an Autorinnen aus Asien, Afrika, der arabischen Welt und Lateinamerika vergeben.

Dann aber wurde diskutiert, ob ein solcher Preis heute noch zeitgemäß ist. „Jüngere Autorinnen wie Taiye Selasi oder eben Chimamanda Ngozie Adichie haben eine in jedem Sinne globale Weltliteratur längst salonfähig gemacht und ihr zudem ein dezidiert weibliches Gesicht verliehen“, sagt Djafari. „Dennoch stehen wir immer noch am Anfang einer wahren Weltliteratur: Sie würde die Welt nicht allein sprachlich und geographisch in ihren Facetten hörbar machen, sondern auch in gleichem Maße aus der Sicht von Männern und Frauen.“

Der Verein Litprom setzte die Tradition des LiBeraturpreises schließlich mit Unterstützung der Frankfurter Buchmesse fort. Seit 2013 wird der Preis im Zentrum Weltempfang auf der Messe vergeben und ist mit 3000 Euro dotiert. Anita Djafari wünscht sich allerdings eine Erhöhung des Preisgeldes, um dem Preis auch international noch mehr Gewicht zu verleihen. „Wir Frauen haben es verdient“, sagte sie auf dem Abschlusspodium.

Das Frauenreferat Frankfurt hat die diesjährigen Literaturtage unterstützt. Beate Herzog, stellvertretende Referatsleiterin, erklärt: „Der LiBeraturpreis ist immer noch relevant. Aber nicht nur in den Ländern des Südens werden Frauen benachteiligt. Auch in Deutschland gibt es ein Drittel weniger Romane von Frauen. In der Kunst- und Kulturbranche arbeiten zwar 80 Prozent Frauen, aber die Spitzenpositionen besetzen Männer. In dieser Branche ist der Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern am größten und beträgt 24 Prozent. Frauen machen die Arbeit, Männer haben die Macht. Das muss sich ändern.“


Autorin

Stephanie von Selchow ist Redakteurin des EFO-Magazins.

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