Obdachlosigkeit im Bilderbuch. Illustratorin Claude K. Dubois diskutierte in Bockenheim
Warum lebt
ein Mensch auf der Straße? Was macht er da den ganzen Tag lang? Warum hat er
nichts zu essen, warum stinkt er? Wieso weiß er nicht, wie er heißt? Die belgische Illustratorin Claude
K. Dubois hat sich solchen Fragen mit Zeichenstift und Tuschekasten genähert. Ihr neues Bilderbuch über Obdachlosigkeit heißt „Stromer“.
In der Gemeinde Bockenheim hat sie das Buch vorgestellt und mit Vertreterinnen
der Bockenheimer Kaffeetafel und Jürgen Mühlfeld von der Diakonie Frankfurt diskutiert.
Erfahrung mit schwierigen Themen hat Dubois. Bereits 2014 gewann sie für ihr Bilderbuch „Akim rennt“, in dem es um das Thema Flucht geht, den Deutschen Jugendliteraturpreis in der Sparte Bilderbuch. Die Idee, nun ein Buch über einen Obdachlosen zu verfassen, hatte ihre Tochter Sarah, die in einem Zentrum für Wohnsitzlose arbeitet.
Bei der Umsetzung des Vorhabens, so erzählte Dubois im Gespräch mit Dominique Petre vom Institut Français Frankfurt, sei schnell klar geworden, dass es ein einfaches Buch über einen Tag im Leben eines Obdachlosen werden sollte. So zeigen die Bilder denn auch eher beiläufig aus wechselnden Perspektiven kleine Momentaufnahmen: vom Aufwachen Stromers über die schwierige Suche nach einem warmen, trockenen Ort, von den konfliktreichen Begegnungen mit Menschen. Das Buch wolle Platz lassen für die Fragen der Kinder.
Wobei Erwachsene häufig ganz ähnliche Fragen haben, wie Jürgen Mühlfeld von der Diakonie Frankfurt sagte. Er leitet die Einrichtung „Weser 5“ im Bahnhofsviertel, wo es für Wohnsitzlose einen Tagestreff, Notunterkünften, Beratung und ein Übergangswohnhaus gibt. Vor allem im Winter reichten die Kapazitäten nicht aus. Die Obdachlosen bleiben länger als geplant im Übergangshaus, weil es nicht genug Sozialwohnungen in Frankfurt gibt und der ohnehin knappe Wohnraum meist eher anderen als ehemaligen Obdachlosen zugeteilt wird. Eine gute Statistik darüber, wie viele Obdachlose es genau in Frankfurt gibt, fehle, kritisierte Mühlfeld: „Das ist politisch offenkundig nicht gewollt“. Als Sozialarbeiter beobachte er eine Diskrepanz zwischen der Einschätzung der Situation seitens der Ämter und der Realität auf der Straße.
In Bockenheim geht man die Not direkt an. Regelmäßig lädt eine Kaffeetafel im Stadtteil Wohnsitzlose und Bedürftige zu Kaffee und Kuchen und zum Frühstück ein. Das ehrenamtlich getragene Projekt verbindet mehrere Bockenheimer Kirchengemeinden miteinander. Ursula Lindner und Jutta Stevens, die von Anfang an dabei sind, erzählten, wie wichtig es für die Menschen sei, gekannt, in den Arm genommen und angesprochen zu werden. So erfahren sie: Da ist jemand, der kennt deinen Namen, weiß um deine Situation und reicht dir eine Hand. In Dubois‘ Bilderbuch ist das ein Kind, das Stromer einen Keks schenkt – und einen Namen.
Sarah V. & Claude K. Dubois: Stromer. Mit Illustrationen von Claude K. Dubois. Übersetzt aus dem Französischen von Tobias Scheffel. Moritz Verlag. Ab 6 Jahren.
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