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Raus aus der „Schamzone“ – Stiftung hilft HIV-infizierten Kindern und ihren Familien

Über die Behandlung am Universitätsklinikum Frankfurt hinaus wird finanzielle, pädagogische und seelsorgliche Begleitung angeboten.

Von Links: Pfarrerin Sybille Neumann, Christoph Königs und Jana Vogler. Foto: Bettina Behler
Von Links: Pfarrerin Sybille Neumann, Christoph Königs und Jana Vogler. Foto: Bettina Behler

Christoph Königs, Mediziner in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Frankfurt, erzählt von einem jungen Sudanesen: „Elias (Namen geändert) war 13 als ich ihn das erste Mal sah, sah aus wie neun“. Daneben stand der Bruder, „ein richtiger Schrank, gleicher Vater, gleiche Mutter“. Bei dem 13-Jährigen stellte die Klinik damals eine HIV-Infektion fest. Inzwischen ist er 18, die Statur ähnelt der des Älteren. Königs ist froh, dass die HIV-Infektion gut behandelt werden konnte dank der entsprechenden Unterstützung des Jungen und seiner Familie. „Ohne die Diagnose und eine erfolgreiche Therapie dank der umfassenden Unterstützung wäre der Junge verstorben“, so der Mediziner.

Elias aus dem Sudan zählt zu denen, die von der Stiftung für chronisch kranke Kinder Unterstützung erhalten haben. Die psychosoziale Begleitung und finanzielle Einzelfallhilfe haben die Lebenssituation für die gesamte Familie verbessert. „Die Stiftung hat der Familie ein dringend benötigtes Bett finanziert“, erzählt Diplom-Pädagogin Jana Vogler, deren Stelle auch aus Mitteln der Stiftung finanziert wird. „Wir helfen da in der Regel ganz unbürokratisch“ – und so ein Bett, dass die Möglichkeit schafft, sich in einem Raum zurückzuziehen, kann eine große Hilfe sein.

„Es sind oft ganz kleine Beträge, die fehlen, 15 Euro können viel sein“, für ein Bahnticket beispielsweise, um die Kontrollen wahrnehmen zu können, so Königs. 2006 ergriff die evangelische Klinikseelsorgerin Elisabeth Knecht mit dem damaligen Ambulanzteam die Initiative zur Gründung der Stiftung, um langfristig HIV-infizierte Kinder und ihre Familien, die im Universitätsklinikum Frankfurt behandelt werden, zu unterstützen.

Unbürokratisch Gelder auszuhändigen, wenn es nottut, ist das eine. Doch Vogler und Königs geht es vor allem um anderes: Gespräche, Begleitung, Wege aufzeigen, erforderliche Hilfen durch Ämter organisieren. Knapp 60 Infizierte und 80 exponierte Kinder und Jugendliche, das heißt Kinder, in deren Familien eine HIV-Infektion vorkommt, unterstützt die Stiftung aktuell – mit dem realistischen Ziel, die HIV-Infektion erfolgreich zu behandeln, ein möglichst normales Leben zu ermöglichen und auch weitere Infektionen zu vermeiden.

Einmal im Quartal schauen die Betreuten in der Regel im Haus 32 des Universitätsklinikums Frankfurt vorbei, wenn erforderlich, häufiger. Aus dem ganzen Rhein-Main-Gebiet, aber auch aus anderen Teilen der Bundesrepublik kommen die Kinder- und Jugendlichen und ihre Familien.

Viele Familien haben eine Fluchtgeschichte hinter sich. Zusätzlich zur Erkrankung sind sie belastet durch eine unsichere Bleibeperspektive, Verständigungsprobleme und finanzielle Sorgen. Die Diagnose „HIV-positiv“ ist mit Scham, Angst und Vorurteilen behaftet. Vorurteile dräuen am Horizont: Prostitution, „die kommt bestimmt aus dem Bahnhofsviertel“.

Diese Anwürfe, kommen vielfach nicht an, weil die Sprachkenntnisse fehlen. An der Gefühlslage ändert das wenig, es bleibt, Sorge um das Kind, Angst und Scham. „Schuldgefühle spielen auch eine große Rolle“, so Königs. Hochschwanger, kurz vor der Entbindung stehend, erhalten die Frauen nicht selten erstmals die Nachricht der Infektion.

Vogler und Königs versuchen den Familien – oft handelt es sich um alleinerziehende Mütter – Ängste und Zurückhaltung zu nehmen. In der Anfangszeit mit dem Baby, auch später. „Ich muss die Mütter häufig ermutigen, ihre Kinder zu küssen“, sie haben oft eine unberechtigte Angst, ihre eigenen nicht infizierten Kinder durch einen Kuss oder körperlichen Kontakt anzustecken, erzählt der Arzt. Der Mediziner macht den infizierten Müttern und Vätern Mut, die Kinder zu knuddeln, sie nach Herzenslust in den Arm zu nehmen -auch und vor allem im Sinne einer normalen Entwicklung des Kindes.

Körperliche Berührung ist ein Thema, das bei den Jugendlichen noch mal eine andere Relevanz gewinnt. „Das erste Mal“ - was ist zu beachten? eine Frage, die mit dem von der Stiftung geförderten Team besprochen werden kann. Vogler erlebt: „Unsere Patientinnen und Patienten machen sich Gedanken über ihr Leben, Sexualität und Partnerschaft im Kontext von HIV. In der Beratung sprechen wir auf Augenhöhe über diese Themen und erleben einen verantwortungsvollen Umgang. Die Jugendlichen begleitet häufig die Angst vor Zurückweisung und Schamgefühle. Eine große Rolle spielt auch die Angst Partnerinnen oder Partner zu infizieren, was bei einer erfolgreichen modernen Therapie jedoch unbegründet ist.“

Über Jahre gewachsenes Vertrauen zahlt sich aus. Königs kommt an diesem Tag etwas später zum Gesprächstermin in das Büro von Jana Vogler. Ein Jugendlicher hat ihn kontaktiert, er weiß gerade nicht weiter, auch mit Blick auf Sexualität. „Die Jugendlichen kontaktieren uns niederschwellig über unsere Mobiltelefone “, so der in Biologie und Medizin Promovierte

Christoph Königs ist Vorsitzender des Stiftungsbeirats. Ein Unternehmensberater gehört dem Gremium an, auch der frühere Gesundheitsdezernent Stefan Majer. Mit dem Eintritt in den Ruhestand hat Elisabeth Knecht ihr Amt im Stiftungsbeirat an ihre Nachfolgerin Pfarrerin Sybille Neumann weitergegeben. Sie ist nicht in die Tagesarbeit der Stiftung involviert, aber das Engagement für ist ihr ein wichtiges Anliegen, damit Kinder und Familien auch mit der Diagnose „HIV“ Vertrauen in die Zukunft haben. „Ich freue mich, die sinnvolle Arbeit, die meine Vorgängerin mit viel Engagement mitgestartet hat, weiterhin zu begleiten“, sagt Neumann. „Wir sind sehr dankbar darüber, die Stiftung Hilfe für chronisch kranke Kinder an unserer Seite und der, der Patienten zu haben“, sagt Jana Vogler.

Weitere Informationen unter www.stihckk.de


Autorin

Bettina Behler 298 Artikel

Bettina Behler, Medieninformation Evangelische Öffentlichkeitsarbeit Frankfurt und Offenbach