Zugespielt ... - Kolleginnen und Kollegen im Porträt

Höhe find' ich mega!

Traumapädagogin Anja Wienand arbeitet seit April 2021 in der Bahnhofsmission am Frankfurter Hauptbahnhof. Seit Sommer 2022 leitet die 54-Jährige die ökumenische Einrichtung mit einem Team aus 22 Hauptamtlichen und ca. 35 Ehrenamtlichen.

Anja Wienand leitet die ökumenische Einrichtung Frankfurter Bahnhofsmission. / Foto: Rolf Oeser
Anja Wienand leitet die ökumenische Einrichtung Frankfurter Bahnhofsmission. / Foto: Rolf Oeser



Was mögen Sie an Ihrem Job?

Wenn ich helfen kann, ein Problem zu lösen. Wenn ich merke, da kommt etwas an. Wenn wir eine Krise auffangen oder ein Situationsknäuel entwirren und die nächsten Schritte strukturieren können. Wenn das gelingt, bin ich glücklich. Wir bekommen auch viel an Dank zurück. Ein weiterer Grund, warum ich meinen Job so gern mache, ist das wirklich gute Team der Bahnhofsmission.

Mit Krisen umgehen haben Sie gelernt?

Ja. Als Traumapädagogin sollte ich das. Aber im Ernst – ich habe lange die psychosoziale Notfallversorgung beim Bayerischen Roten Kreuz geleitet und bin 14 Jahre ehrenamtlich Rettungsdienst gefahren. Ich habe schon viel gesehen und erlebt. Aber entweder kann man sowas oder man kann es nicht. Auch hier in der Bahnhofsmission sind die Krisen vielfältig, die die Menschen zu uns führen. Krieg und Vertreibung genauso wie Obdachlosigkeit oder Sucht. Ein Kaffee, eine Dusche, frische Wäsche, ein Gespräch, Hilfe bei Formalitäten, Vermittlung weiterer Hilfen, die nächsten Schritte.

Das Geheimnis Ihres Erfolges?

Beruflich habe ich die Gabe, in Krisensituationen ruhig und pragmatisch zu bleiben. Das hilft dem Gegenüber auch, sich zu beruhigen. Mein Credo lautet dabei: Egal, was gerade das Problem ist und welches Chaos sich gerade vor einem auftut, erstmal die Person vor mir fragen: „Kaffee oder Tee?“. Denn wenn man etwas trinkt, atmet man normal, das System kommt zur Ruhe. Und das hilft immer. Dann bewerte ich die Situation und helfe im Hier und Jetzt.

Brauchen Sie das Chaos?

Im Gegenteil! Privat brauche ich viel Struktur und Ordnung. Alles hat seinen Platz und muss akkurat sein. Zur Belustigung unserer Kinder, wenn sie zu Besuch kommen.

Haben Sie eine große Familie?

Oja – eine große, bunte Patchworkfamilie. Zusammen haben wir fünf Kinder und sechs Enkelkinder. Und ich bin sehr glücklich, dass es allen gut geht und sie ihren eigenen Weg gefunden haben.

Was hilft den Job zu verarbeiten?

Ich laufe, laufe, laufe in der Natur. Seit wir einen Hund haben, muss ich sowieso bei Wind und Wetter raus. Und seit einem halben Jahr habe ich ein neues Hobby. Ich lerne den Kampfsport Ju-Jutsu. Aber nicht, weil ich das für den Job brauchen würde. Ich habe eigentlich nie Angst. Aber Ju-Jutsu stärkt die Konzentration und das Körperbewusstsein. Und das tut einfach gut.

Haben Sie einen Traum?

Ich hatte mal einen Gleitschirmflug mit einem Profi. Das war so toll. Höhe finde ich mega. Als nächstes Abenteuer würde ich gerne einen Tandemsprung aus einem Flugzeug erleben.

Arbeiten Sie an Weihnachten?

Ich bin am 24.12. in der Bahnhofsmission und freue mich auf den Weihnachtsgottesdienst um 12.30 Uhr im Bahnhof. Den Heiligen Abend verbringe ich in aller Stille mit meinem Mann, bevor dann ab 25.12. alle Kinder mit Enkel einfallen. Ein absolutes Muss ist der perfekt geschmückte Weihnachtsbaum. Da müssen alle Kerzen, Kugeln und Sterne ausgerichtet sein und in einem festen Muster hängen. Das kostet mich echt Zeit! (lacht)


Autorin

Sandra Hoffmann-Grötsch ist Journalistin in der Öffentlichkeitsarbeit der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach.